Digitalisierung: Bauen

Ein Text über Bauen und Digitalisierung, verfasst für eine Baumesse 2018.

Die Digitalisierung im Bau hat drei Buchstaben


Die Digitalisierung hat die Baubranche voll erfasst. Nach den derzeitigen Plänen soll das so genannte „Building Information Modelling“ (BIM) bis 2020 Standard für alle öffentlich betreuten Bauprozesse werden. Breite Anwendung findet es derzeit schon in den asiatischen Ländern, wo normengerechtes oder serielles Bauen besonders wichtig ist. Prinzipiell bietet die digitale Plattform für Planer, Architekten und Handwerker ein praktisches Tool für die konkreten Planungsprozesse beim Bau. Im Idealfall sollen die Gewerke sich so gut verzahnen, dass Bauprojekte schneller, effizienter und auch transparenter abgewickelt werden. Der Clou ist, dass alle Änderungen, die ein registrierter Nutzer macht, allen anderen zugänglich gemacht und eventuelle Preise oder auch Materialbestellungen automatisch aktualisiert werden.

Hinter BIM liegen, einfach erklärt, gut gepflegte und stets aktualisierbare Datenbank-Bibliotheken für die verschiedenen Informationen, die während eines Bau- und Planungsvorgangs verschiedenen Akteuren zugänglich gemacht werden müssen: Das können Baustoffe sein oder auch verschiedene Bauverordnungen, einzelne Projektschritte in den Leistungsphasen, die aktuelle Honorarordnung für Architekten oder Ingenieure (HOAI) oder auch einzelne Verträge. „Smart Contracts“ gehört zu den derzeit am meisten diskutierten Innovationen, die auf der Bugwelle der Blockchain-Technologie auch die Baubranche erfassen. Was derzeit noch fehlt: ein rechtssicheres digitales Vertragswesen.

Die Baubranche ist allerdings kein Vorreiter in der Digitalisierung. Obwohl die bautec letzte Woche umfassend gezeigt hat, wozu die Digitalisierung in punkto Smart Home und 3D-Druck fähig ist, werden die strukturellen Chancen längst noch nicht umfänglich ausgenutzt.



5 Herausforderungen der Baubranche

Neue Technologien können helfen, wichtige Probleme im Bauwesen konstruktiv anzugehen, nämlich in den Bereichen

  • Baukosten
  • Prozesseffizienz
  • Nutzerorientierung
  • Korruptionsanfälligkeit
  • Honorierung der einzelnen Leistungen

Baukosten: Die „Elphi“ (die Hamburger Elbphilharmonie) ist ästhetisch so ansprechend, dass die jahrelangen Debatten und Gerichtsverfahren um die Baukosten fast vergessen wurden. Beim Berliner Flughafen bleibt die Kostenexplosion am Bau ein Aufreger. Grundstückspreise, teuer umzusetzende Auflagen und der Fachkräftemangel im Handwerk gelten als Hauptkostentreiber. Ein Planer klagt im Gespräch mit Nimirum, dass sich die Kosten in Leipzig in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben.

Prozesseffizienz: Immer mehr Auftraggeber kennen das Problem, dass Handwerker immer weniger Zeit haben. Erst recht für „Kleinkram“. Volle Auftragsbücher und der Fachkräftemangel führen dazu, dass Leistungsphasen nicht ordentlich geplant werden können, weil Handwerker sich nicht auf Monate hinaus buchen lassen. Tun sie es doch, wie bei großen Projekten, verhindern oft andere Haken im System, dass alles reibungslos läuft. Es ist nicht nur fehlender politischer Wille, wenn Infrastruktur zu langsam entsteht: Das System insgesamt kracht an allen Ecken und Enden.

Nutzerorientierung: In der Küche fehlt eine Steckdose, vor dem Wohnzimmerfenster steht ein Schattenmacher, in der Klinik sind die Türen zu schmal für die Betten – alles schon gesehen. Bei guter Planung sollte das nicht vorkommen. Aber gerade beim Thema Nutzerorientierung wird es spannend: Fragt man nicht besser einfach die Krankenschwester, wo die Sauerstoffanschlüsse im Patientenzimmer hin sollen? Bislang entscheiden Architekten auf Basis ihrer Erfahrung und ihres Wissens oft allein. Beschwerden im Betrieb werden später nur selten zurückgespiegelt.

Korruptionsanfälligkeit: Die Finanzbranche gehört zu den korruptionsanfälligsten in Deutschland: Allein die Schwarzarbeit versucht jährlich Milliardenkosten. Dazu kommen Bestechungsgelder, die bis zu 10% der Baukosten betragen. Der Ruf leidet.

Honorierung der Leistungen: Die Dienstleisterfreiheit gehört zu den großen Errungenschaften der EU. Ideelle Leistungen können im gesamten europäischen Wirtschaftsraum genutzt werden. Nationale Vergütungsregelungen stehen dem aber oft entgegen: Dieses Jahr wird der Europäische Gerichtshof endgültig entscheiden, ob die HOAI gegen EU-Recht verstößt. Nur: Was kommt dann? Werden alle Honorare frei verhandelt? Ein Graus für die meisten Architekten, die die HOAI in ihrer jetzigen Form nach wie vor unterstützen.

Die Zukunft nach der Digitalisierung: Blockchain, Bitcoin & XR

Noch bevor mit BIM die erste Digitalisierungswelle abgeschlossen ist, drängen neue, revolutionäre Technologien auf den Markt. Das betrifft alle Branchen, und wer sich mit der Digitalisierung heute schwer tut, muss später zwei Schritte auf einmal nehmen. Unter „BIMplus“ wird in Großbritannien diese Verschmelzung des Neuen mit dem ganz Neuen trefflich umschrieben (z.B. bei bimplus.uk.co).

Für die Baubranche können drei wichtige Technologien wesentlich zur Effizienzsteigerung beitragen – wenn alle Gewerke an einem Strang ziehen.

XR: Augmented bzw. Extended Reality gehört zu den extrem nützlichen Innovationen für die Baubranche. Ein Bau, der schon in der Planung begehbar ist, profitiert frühzeitig vom Erfahrungswissen der XR-Nutzer. Die Technologie kann verschiedenste Vorhaben effizienter machen: vom Denkmalschutz über das Eigenheim bis zum Bau komplexer Infrastruktur. Planer und Architekten profitieren von Impulsen, die die Nutzer der Gebäude geben können. Von ästhetischen Probungen einmal ganz abgesehen. XR führt, sozusagen spielerisch, zu niedrigeren Baukosten, höherer Kosteneffizienz und besserer Nutzerorientierung.

Blockchain: Anders als eine Cloud speichert die Blockchain Daten dezentral auf verschiedenen Rechnern und ist daher nahezu unkorrumpierbar – man müsste jeden einzelnen Rechner hacken. (Über die Funktionsweise der Blockchain klärt dieser Artikel gut nachvollziehbar auf). Im „Block“ festgehalten werden kann zum Beispiel ein Vertrag oder ein Gespräch im Projekt. Aufgrund der vielen Vorteile der Blockchain-Technologie heißt es mancherorts, dass bald jede Branche ihre eigene Blockchain habe. Sie gilt auch als ideale Anti-Fraud-Technologie. Vereinzelt wird Kritik laut, da die Blockchain jede Transaktion, also auch Nonsens abbildet – und nicht jede Transaktion archiviert werden müsse. Als Erweiterung des BIM („BIMplus“) könnten die dort getätigten Transaktionen in einer Blockchain geladen werden: „Smart contracts“ würden zu weniger Korruption führen.

Bitcoins: Die bekannteste Blockchain ist die erste „Kryptowährung“ Bitcoin. Ihr Kursverlauf hielt die Anleger in den letzten Monaten auf Trab. Zwar ist umstritten, ob es sich tatsächlich um eine Währung handelt (siehe NIMIRUM-Analyse zu Bitcoin), doch ist das Prinzip einer digitalen Verrechnungseinheit, auf deren Gültigkeit sich alle Vertragspartner geeinigt haben, durchaus attraktiv für eine Post-HOAI-Zeit. Wenn Leistungen im Zuge der BIMisierung des Baus an einen, möglicherweise international anerkannten, „Bau Coin“ gekoppelt würden, könnten Transaktionen wesentlich schneller und transparenter durchgeführt werden. Insgesamt wird die Digitalisierung Payment-Prozesse erheblich beeinflussen. Das gilt im Endkunden- wie im Geschäftsbetrieb. Ein Bitcoin für den Bau steigert die Prozesseffizienz, senkt die Korruptionsrate und bietet eine Perspektive für die Honorierung von Waren und Dienstleistungen im Baugewerbe. Ein ausführlicher Bericht zum Status der Kryptwährungen findet sich bei BTC-Echo.

Fazit: Ein bisschen digital gibt es nicht

Wer über die letzte bautec ging und mit Ausstellern sprach, bekam ein deutliches Bild: Smart Home, Energieeffizienz und Produktion 4.0 sind die heißen Themen. Jetzt gilt es, die strukturellen Chancen der Digitalisierung im Bau zu nutzen. Die Politik wird auf der Digitalisierung des Baus bestehen – schon allein, weil sich Chancen auf Effizienzsteigerung und Korruptionsbekämpfung abzeichnen. Wer weiter analog arbeiten will, wird es schwerer haben. Im Gespräch mit Nimirum sagte mehrere Aussteller, dass BIM eine Art Einstiegsdroge sei – einfach „saupraktisch“. Zu erwarten ist, dass das erst recht gilt, wenn der Gesamtprozess vom Vertragsabschluss bis zur Bezahlung durchdigitalisiert ist. Ein bisschen digital gibt es nicht. Das gilt auch für die Baubranche.

Die Baubranche stellt besondere Anforderungen, denn hier treffen sehr unterschiedliche Gewerke aufeinander. Was ein durchdigitalisierter Prozess bedeuten kann, muss am Runden Tisch besprochen werden:

  • Architekten wollen weiter kreativ sein dürfen. Mit BIM geht das vielleicht sogar noch besser: Änderungen in der Planungsphase werden sofort sichtbar und mit XR auch begehbar. Let’s play XR!

  • Planer wollen eine Lösung für den Fachkräftemangel. Digitale Prozesse erhöhen die Planbarkeit für alle Beteiligten

  • Handwerker fürchten sich vor zu großem Invest. Gleichzeitig wird ihre Arbeit durch BIM sicherer.

Bisher sprechen die verschiedenen Akteure zu wenig miteinander. Dieses Gespräch muss stattfinden, regelmäßig und mit offenem Visier. Denn auch wenn der Mensch auf die Digitalisierung angewiesen ist, bleibt die Digitalisierung auf den Menschen angewiesen.

Dieser Blogbeitrag erschien zuerst im NIMIRUM-Blog.






Kommentare 16

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