Der Balanceakt der "Ware Kunst"

Ist man nur eine Künstlerin, wenn man etwas verkauft hat? Ist man nur ein Künstler, wenn man etwas produziert? Es gibt radikale Definitionen von Kunst. Ich zum Beispiel habe Welten von Werken erschaffen - im Kopf. Eine Kunstmesse ist per definitionem das Gegenteil einer solch weiten Gültigkeit des Kunstbegriffs. Die Kunstmesse Magdeburg hat eine spielerische Definition von Notwendigkeit gefunden, was nicht zuletzt am kuratorischen Geschick der Gründer:innen liegt. 2021 war sie deshalb wichtig, weil sie uns allen zeigte: die Welt, die wir kannten, ist noch nicht tot.
Das Vertrackte ist: die Wertigkeit. Bin ich mehr wert als die anderen, wenn ich mehr verkaufe? Künstlerisch, meine ich.

Seit 2020 besuche ich mit meinem Vater Michael Mutschler die Kunstmesse Magdeburg und sehe dort immer wieder "really good stuff", diese Art Kunstwerk, die aus sich selbst heraus Bedeutsamkeit hat und dabei so gut gemacht ist, dass Betrachterinnen und Betrachter das auch SEHEN können. Und zugleich haben wenige (und dann auch nicht die meiner Meinung nach besten) den heiß begehrten roten Punkt erhalten, die die "Kunst Mitte" subtilerweise schon im Logo trägt. Sie symbolisieren: Werk VERKAUFT. Eine andere Person begehrt dieses Werk zu besitzen.

Die Messe selbst ist im Messezirkus unter Kunstschaffenden ein Geheimtipp, denn man kommt dort ohne Galerie hin, das ist bei den großen in Karlsruhe, Paris oder Basel anders. Das Kuratorenteam hat sich aber einen Ruf als strenge Juroren erarbeitet und so ist die bei anderen Künstlermessen oft anzutreffende Kitschkunst kaum zu sehen.

Trotzdem ist es eine Verkaufsmesse, wie der Veranstalter 2022 betont hat. Und klar: Wer schlunzte nicht heimlich links und rechts schielend am Sonntag, dem Tag nach der "Collector's Night" für Sammler (ohne die Künstler) über die Messe, um zu sehen, wers geschafft hatte. Wer hat's bekommen, das Kompliment für " eine gute Arbeit" in Form von Geld? Und zwar, ohne dass der oder die Sammler:in einen kannte (das wiederum halte ich für eine steile These, denn man kauft die Persönlichkeit des Kreativen doch ein Stück weit mit!). Der universale Verkaufsstempel im Kunstbusiness, der rote Punkt in Fingernagelgröße, repräsentiert die Paradoxie der Kunstwelt: NATÜRLICH geht es ums Verkaufen. Aber wir reden NICHT darüber!  Also: Wem macht es eigentlich am wenigsten aus, wenn's nicht läuft? Wer kann die Bestätigung, weil man einen Preis gewonnen hat oder Werke verkauft, so sublimieren, dass man nicht in die Angeberfalle tappt? Wer schlägt sich wie im Auf und Ab des Schaulaufs? Eine Parade von Mundwinkeln ist das am Sonntagmorgen. 

Das Spiel gilt für alle künstlerischen Sparten: der darbende Künstler hält sich hartnäckig als mythische Figur. Er ist der in der Galerie 

Kunstmessen: ein Ort der Kunst

Aber, zugleich ist die Kunstmesse ein Ort der Kunst. Ein Ort voll von Kreativen, die als Community die vielleicht größte Spannbreite an menschlichen Charakteren aufweist, so dass beinahe jeder dort sich "normal" fühlen darf: der in sich gekehrte, die mies gelaunte, der tollpatschige, die exzentrische, der unglückliche, sogar der pragmatische findet (insbesondere auf einer Kunstmesse) seinen Platz in der Gemeinschaft, die sich für 4 Tage zusammenfindet. Es ist diese Art von Community, die erfolgreiche Events auszeichnen. Flankiert von einem Publikum, das überwiegend bereit war für Kunst, bereit, sich auf einen anderen Blick einzulassen - und, lässt man die Frage der Käufertauglichkeit einmal weg - sich gern inspirieren ließen wie bei einer Ausstellung oder dem Gang ins Museum. 

Ich war auch dieses Jahr wieder mit meinem Vater und seiner Kunst da, die üblicherweise - seine rund 5000 Fans auf den sozialen Netzwerken (Instagram & Facebook) kommen ja nicht von irgendwoher - zu Besucherfeedback führt, aber Wohnzimmerkunst sind zumindest die Gemälde nicht

Natürlich schmerzen abends die Füße und das Gesicht ist etwas verspannt vom dauernden Sprechen, aber für meinen Geist war diese Messe, mehr noch als letztes Jahr (als die Coronaverunsicherung noch größer war) einfach erfrischend. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, gäbe es mehr solcher Messen in meinem Leben. Ein Geist von Unkonventionalität, der ruhig noch stärker sein darf, prägt die Kunstszene.

Künstlerisch interessiert und tätig zu sein, zahlt wohl von verschiedenen Warten ein in die Hoffnung darauf, dass es jenseits der vorgezeichneten Pfade noch eine Lebensalternative gibt.

Also noch einmal.

Wie wichtig ist der Verkauf von Kunstwerken?

Silver Artists, also Künstler:innen, die seit Jahrzehnten tätig sind, aber bislang keine große Aufmerksamkeit angestrebt haben, und die Freiheit des Älterwerdens nun nutzen, ihr Kunstwerk zu vervollständigen, sind zwiegespalten. Die Motivation des Kaufes ist diesen Kreativen oft wichtiger als der Verkauf an sich. Natürlich ist man gerne das Sammlerobjekt - aber wenn dieses Moden unterlegen ist, was dann? 

Interessant waren die vielen Diskussionen, die die Kunst am Messestand auslösten. Und die Freude, die es dem Künstler selbst bereitete, mit den Gästen zu diskutieren. Die Freude, die die Betrachter:innen in der Diskussion mit dem Künstler erfahren haben. Es glich eher der Dynamik einer Museums-Ausstellung - wofür die Bilder meines Vaters definitiv gemacht sind, das mag man nun gut finden oder nicht -, die ich am Stand beobachtet habe. Die Zwiegespräche motivierten meinen 

Und vielleicht ist das der wahre Wert des Kunstschaffens? Gibt es Kunst, die primär dem Zwecke des Verkaufs dient? Ich beschäftige mich nun schon so viele Jahre mit den verschiedenen Künsten, kann mich aber zu keiner Antwort durchringen. 

Einfluss wünsche ich guter Kunst. Ob sich das über Verkäufe feststellen lässt, weiß ich nicht. Ich werde berichten.




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